Weitere Erinnerungen an Tyssa

Dr. Friedrich W. Blechinger

 

Tyssa - ein merkwürdiger Ortsname - so gar nicht leicht verständlich wie Schneeberg, Eiland, Königswald, Eulau, etc. Was fangen wir also mit Tyssa an ? Wenn ich mich recht erinnere, wurde uns in der Schule gesagt, Tyssa käme von „die Sau”, das klingt doch sehr an den Haaren herbeigezogen ! Und was fängt man erst mit Raiza an. Bei Raiza denkt man doch gleich an eine klassische Redensart: Es fragt jemand mal ein Mädchen: Wu sein Sie denn ha ? Antwort: Aus da Roarze soartse (sagt sie).

Aber nun wollen wir einmal vom Bahnhof Tyssa-Königswald ei ae Dieße pilgern. Wir gehen zunächst am „Lehngut” (Nr. ?) vorbei. Uf da Dießna Schtrouße haben wir dann bald zur Rechten Botschens Mausoleum (Nr. ?), dann links Zimmerhackl (Nr. ?), Lackfabrik (Nr. ?) alles noch Königswald. Ei de Dieße treten wir mit dem Dieslodt oder Tyßloch mit der "Bergerschenke" (Nr. ?) zur Rechten. Bald kommt der „Krauthübl” mit der „Krautmühle” (Nr. 94 / 344), bewohnt von einem der zahlreichen Dießna Püschner. Haben wir den Krauthübel erstiegen, finden wir nun links die Villa des „Charles” Püschner (Nr. 349), daneben das Haus des Bergerbäcken (Nr. 207). Von dort geht es links hoch auf den Hoferberg mit Bau- und Maurermeister Rühr (Nr. 90) und dem Tyssaer Original Wend Julius (Nr. 92), der nur im Dialekt sprach, obwohl er sehr belesen war - der Tierausstopfer, vielmehr zool. Präparator !

Weiter geht es auf der Tyssaer Dorfstraße, nun, nach Ersteigen des „Krautkübels” sanfter hoch. Wir treffen links auf die „Doktorvilla” (Nr. 318) des. Dr. Demuth, der 1945 ein schreckliches Ende fand durch entmenschte Tschechen ! Er soll sich schließlich selbst vergiftet haben. Zu seinem Begräbnis, auf dem Tyssaer Friedhof, kam eine große Menschenmenge. Auf der „Kleinen Wand” hatten die Tschechen Maschinengewehre aufgefahren ! Aber das weiß ich nur vom Hörensagen. Vorher war in Tyssa der Dr. Wendt aus Graz, er war ein sehr ruhiger, liebenswürdiger Mann. Er zog nach Altstadt. Vor den beiden Ärzten Wend und Demuth gab es in Tyssa keinen Arzt, vielmehr mußte der Dr. Heil aus Königswald nach Tyssa gerufen werden ! Geht der Blick von der „Doktorvilla” nach Süden hat man links Ausblick über »die Bache" (den Bach) zur Fabrik Alfons Püschner (Nr. 245). Rechts auf sanfter Anhöhe Villa Berthold Jäger (Nr. 332). Dann links Villa Klepsch (Nr. 356) (O, die Dießna Homoratioren verstanden es, schöne Villen zu bauen !). Es geht weiter: Rechts nun bald die Villen der beiden Jäger (Nr. 338 / 370) (Julius und Josef). Vor uns nun das nun abgetragene Gasthaus Firbas (Nr. 143) (humorvoll Bierfaß). Rechts geht es dann gegen Schneeberg, vorbei ban Bercheline (Nr. ?) (Peregrinus Hiebsch?) (Nr. 69) Ortsteil „Unter der Wand” - Gelbgießer Weigend (Nr. 107) - Fabriken Julius Jäger (Nr. 231). In einem weiteren Haus der Fabrikanten Jäger (Nr. ?) ein zahmer Fuchs. Die Straße führt nun weiter links, zur Linken Ganzmüller (Friseur) (Nr. 316), Donath (Graveur) (Nr. 321), Püschner (Graveur) (Nr. 327), Püschner (Konditor?) (Nr. 336), Ottomar Püschner (Kaufladen) (Nr. 312), rechts der Hamann Fleischer (Nr. ?), am Berg Werner (Nr. ?), Sieber (Nr. ?), Oberlehrer Krumbach (Nr. 324), nun der Kirchplatz, vor uns die Kirche, das Pfarrhaus rechts (Nr. 161).

Nun kommt das Zentrum von Tyssa: links das imposante Hotel (Nr. 287) (erbaut von den Jägers), rechts erhöht Gasthaus Hieke (Nr. 141), Wagnerei (Nr. ?) und dann mein Vaterhaus Nr. 190, eigentlich 3 Häuser, Vorhaus, Hinterhaus, Scheune, großer Garten. Am Haupthaus die Sonnenuhr mit der Schrift: „Zähle wie die Sonnenuhr, alle heitren Stunden nur”; dann weiter rechts Feix- (Nr. 259) Rüster- (Nr. 260) Volkshaus (Nr. 205). Links Förster Richter (Nr. 375), Wendt (Nr. ?), Julius Hiebsch (Nr. 352) (Schenker Walter) (Nr. 220). Zum Volkshaus Sitz der „Roten”; die "Roten" bei Umzügen angeführt von der „Geckschkulia” - das war ein kleines Männchen mit einem Höcker. Merke: Geckschen - zusammenstoßen wie 2 Billard-kugeln (eine schöne Lautmalerei !) Merke ferner in diesem Zusammenhang: Kugel = Kaule, Ball= Boulda !

Beim Weitergehen kommen wir nun in eine Gegend, die ich nur wenig kenne (als Bub des Zentrums !). Es folgt nach dem Volkshaus an der „Roatsna Schtrouße” rechts das Haus des Lehrers Walter (Nr. 367), links weiter oben der Rotschheger (Nr. 225). Weiter gegen die Brache zu kenne ich nur noch links den Kühner Schneider (Nr. 276) und rechts den Schlattner-Bädien (Nr. 188), Beim Konsum  (Nr. ?) wird es aber bei mir schon zappenduster. (Man entschuldige, daß ich nun nicht mehr berichte, aber ich bin mit 11 Jahren von zuhause weg in das Taschner Gymnasium gekommen und wohnte nun bei einer „Kostschachtel”. Nur in den Ferien war ich noch „Ei da Dieße").

Oft wanderte ich über Schneeberg nach Tyssa von Tetschen über Bodenbach Rotberg, Bieba, Tscheche. Der Weg war mir nicht zu weit !

Nun weiter zur Dieße: Auf der noch der „Konsum”, die Fabrik Augustin Hieke (Nr. 171). Nun geht aber wirklich bei mir das Licht aus. Wohl bin ich nun öfter weiter nach Peterswald gewandert und erinnere mich an die Flurnamen Mordgrund und Losche. Wo das Buchtendörfel lag, weiß ich nicht mehr und habe es wohl auch nie gewußt, wie auch nicht die Flurnamen, die mir Volksschulfreund Liebzeit (Prokurist bei Berthold Jäger) mitteilte: Gaßl, Heide, Burnweicht, Höh, Schaftrebe, Berg, Neue Straße, Roter Hügel; aber gehen wir jetzt mal nach Süden gegen Nollendorf, am Hof Schmelowski (Nr. 272 ?) und am Mühlteich vorbei. Der Ökonom Schmelowski war ein gebildeter Mann. Er sagte oft lateinische Zitate z. B. Ubi bene ibi patria (wo es gut ist, ist das Vaterland). Vielleicht zitierte er dies auch nur mit mir als Lateinschüler. Weiter geht es über das „Baumstück” (rechts Wächtler-Villa (Nr. 218 ?)) auf den Hof. An einem Haus stand: „Hier geht der Weg nach Nollendorf, geht nur ein wenig scharf, auf der Höhe rechts dem Teiche zu, in einer Stunde habt ihr Ruh'. An einem anderen Haus: Geputzt und renoviert und jedes Loch verschmiert !” Auch ein Forsthaus (Nr. 1) war da der Grafen Thun, in meiner Kindheit besiedelt von Förster Schnurpfeil, dann in meiner Jugend von Förster Schmelovski.

Nun lassen wir die Nacht herniedersinken und singen: „Gura Mound, de giehst (su stille, nein) de giehst ein Loutschen (Schlappschuhe) durch de Obendwulken hie- bessa wär`s de keefst da Boutschen (Filzschuhe) sunst dafrierste deene Ziehn.” Und was ist mit unserem Pfarrer: In a Wuche fiert er Basen, Suntich muß a Masse lasen !"

Nun, liebe Freunde, wieder einmal Abschied. Wie mag Tyssa heute aussehen: Bekannt: Firbas weg, mein Vaterhaus weg. O jerum !

 

Quelle: Artikel aus "Trei da Hejmt",
   Mitteilungsblatt für den Heimatkreis Tetschen-Bodenbach/Sudetenland,
   28. Jahrg. Nr. 14; Zweite Juli-Folge 1975

Nummernergänzung nach eigenen Aufzeichnungen

letzte Aktualisierung am 19.03.2005