Kleine Erinnerung an Königswald

 Fritz Roeder

„Dem schlage ich auf die Fingerknöchel”, würde Oberlehrer Bittner, genannt der „Griffelklopper”, prustend sagen, „der behaupten wolle, unser Königswald sei ein ödes Nest gewesen.” Das Dorf Königswald zog sich freilich einförmig kilometerlang beidseitig an der Staatsstraße, dem Eulaubach und dem Mühlgraben hin, westlich in Richtung Teplitz, östlich nach Bodenbach. Aber so reizvoll war der Ort gar nicht, man mußte nur lange genug dagewesen sein, dann hatte man jene Punkte, die es liebenswert machten, entdeckt.

Lieblich eingebettet lag der Ort in der Landschaft. Südlich begrenzten es der lang-hingestreckte Hutberg, nördlich, gegen Tyssa und Schneeberg zu, die Wände. Sie konnten es zwar mit denen in Tyssa nicht aufnehmen, bildeten aber einen Anziehungspunkt für stille Wanderer - und für uns Buben.

Hinter den Wänden dehnten sich weite Wälder und Forste bergan, über die böhmisch-sächsische Landesgrenze hinweg, hinunter nach Sachsen. Unweit vom Ortsteil Holzgrund erreichte man über die Staatsstraße - im Volksmund „Kaiserstraße” - geschichtsträchtigen Boden, Nollendorf beispielsweise und Kulm. Hier prallten 1813 die kämpfenden Armeen aufeinander, blickten die Augen der Heerführer über das Land, hier glaubten Napoleons Marschälle sein Schicksal - das Kriegsglück - zu seinen Gunsten wenden zu können. Die Erde dort ist getränkt vom Blute vieler Nationen. Gewaltige Monumente und Denkmäler erinnern an diese Zeit.

Doch wieder zurück nach Königswald, hinein in seine herrlichen gepflegten Wälder, die in den Zwanzigerjahren von der „Nonne” heimgesucht waren, dem Kaiserwald und wie die Forste alle hießen, die sommers den fleißigen Beerenpflückern volle Krüge brachten und den Pilzsuchern schwere Rucksäcke schmackhafter Schwämme. In den Schlägen reiften dicke Himbeeren, und es wimmelte nur so von Pflückern, die wasserkannenvoll die süßen Früchte heimwärts trugen. Brombeeren wucherten am Waldrand wie Unkraut und in den Feldhecken am Wegesrand.

Die Ortsvorstehersgattin, Frau Philipp und ihre Schwägerin, Frau Püschel, die etwas außerhalb des Niederdorfes wohnten an einem idyllischen Pfad, der in den nahen Wald führte, hatten es einfach, wenn sie samstags Kuchen buken. Sie schickten die Kinder in den Wald, die zwei, drei Litermaße Brombeeren, je nach Bedarf und Vorhandensein pflückten. Das war ein Blechkuchenbelag ! Saftig und süß quoll es da über den Kuchenrand. Oder gar, wenn es Heidelbeerkuchen gab. Je, war das ein Schmatzen und Verschlingen. Stück um Stück einverleibte man sich, die „Gusche” wurde blau und man glaubte nach der Völlerei zu platzen.

Frau Oberlehrer Walter hingegen, brauchte niemanden in den Wald zu schicken, um ihr Wildbeeren für den Sonntagskuchen zu holen. Den Oberlehrers wuchsen die schönsten Gartenbeeren die es in Königswald gab. Man brauchte sie nur zu pflücken, im Garten hinterm Schulhaus. Und das tat der Herr Oberlehrer denn auch. Es machte eitel Spaß und Freude, den vielfältigen Erntesegen zu bergen. Es lohnte schon, den Garten sich von den Schülern pflegen zu lassen. Die Kerle brachten ihre überschüssige Kraft an und erwarben obendrein Fachkenntnisse im Gartenbau. Oberlehrer Walter war nicht allein ein vortrefflicher Schulmeister, bei dem man gerne lernte, er war auch ein passionierter Gärtner. Weggrapschen von den Beeten und Sträuchern konnten seine Rangen ihm nichts, denn gottgelobt bildete die Erntezeit just Ferienzeit.

 

Quelle: Artikel aus "Trei da Hejmt",
   Mitteilungsblatt für den Heimatkreis Tetschen-Bodenbach/Sudetenland,
   26. Jahrg. Nr. 15/16; August 1973

letzte Aktualisierung am 08.04.2005