Der Luftkurort Schneeberg und das Hotel „Schweizerhof“

Ein Beitrag zur Entwicklung des Fremdenverkehrs in unserer Heimat

Von Rudolf Dinkelberg

 

Der „Schneeberg“, und darunter verstand man auch das Dorf Schneeberg, war der Lieblingsberg von Tetschen und Bodenbach. Er war der Hausberg in lichten Höhen, oft windumfegt, nach dem man sich sehnte, wenn man in dem tiefen Talkessel von Tetschen-Bodenbach, in Nebel und Dunst lebte - und nach dem sich sicher auch heute noch viele zurücksehnen. Das Dorf Schneeberg liegt zu Füßen der steilabfallenden Felswände des „Hohen Schneebergs“, der 721 m hoch ist. Ober- und Unterdorf Schneeberg sind von ausgedehnten Waldungen umgeben. Diese sind in mehrere Reviere unterteilt und gehörten zur Domäne der Fürst Thunschen Herrschaft. Sie bildeten ein Quadrat von ungefähr 13 km Seitenlänge. Inmitten des Unterdorfes, in etwa 600 m Seehöhe, steht das Hotel „Schweizerhof“. Es ist ein ansehnliches Grundstück.

Dem Auge bietet sich ein hübscher Anblick auf die zweistöckige Front mit den beiden spitzen Türmen und der balkongeschmückten Ostfront mit davorliegendem Garten und Kinderspielplatz. Der Wirtschaftsteil, etwas tiefer gelegen, besteht aus dem 24 Pferde fassenden Stall, den Autogaragen, der Wagenremise, dem Eiskeller, Schweinestall und Kutscherstuben. Das Hotel ist bis zum ersten Stockwerk aus Sandsteinquadern erbaut. Der erste und zweite Stock im Stile der heimatlichen Bauernhäuser aus Fachwerk.

Im Hochparterre sind untergebracht: ein „Extrazimmer“, ein Gastzimmer, ein Speisesaal, die Hotelküche mit Nebenräumen und die Wohnung des jeweiligen Wirtes. Im ersten und zweiten Stock liegen ca. 16 Fremdenzimmer, die meisten mit großen Balkons, oberhalb der Hotelveranda. Die beiden Spitztürme an der Nordfront des Hauses, die dem Haus etwas Charakteristisches verleihen, trugen Wetterfahnen mit den Insignien „F. H.“. Die tragen sie wahrscheinlich noch heute, sofern sie nicht verrostet sind.

Der Erbauer dieses Hotels ist nämlich Friedrich Hebestreidt, von 1860 bis 1912 Besitzer des „Hotels zum Bad“ in Bodenbach-Obergrund. Dieser erbaute den „Schweizerhof“ mit Baumeister Perten aus Peiperz im Jahre 1892/98. Er erstellte es für seinen jüngsten Sohn Franz Hebestreidt und dessen Gattin Josefine. Zuvor hatte er diesen Sohn auf eine Hotelfachschule in die Schweiz gesandt und später ihm den Posten eines Direktionsassistenten in einem Hotel an der französischen Riveria vermittelt.

Zur Einweihung des Hotels, im Frühjahr 1893 fanden sich die Bürgermeister von Eulau, Tetschen und Rosental (Sa.), die Forstleute der Domäne Thun-Hohenstein und viele sogenannte prominente Gäste aus Tetschen und Bodenbach ein.

Es läßt sich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen, wem die Idee, aus dem Waldarbeiterdorf einen Luftkurort zu machen, entsprungen war. Tatsache blieb, daß die Idee damals verfrüht war. Die Jahresgäste, wie man das vielleicht in der Schweiz gesehen hatte, blieben aus. Das Haus füllte sich mit vereinzelten Gästen allenfalls in den Monaten der Schulferien, Juli - August - September. Die Wintergäste fielen gänzlich aus, abgesehen von den Tagen, da es möglich war, mit dem Pferdeschlitten von Tetschen über Kalmswiese - Maxdorfer Teich hinaufzufahren. Aber die Unkosten für Vorräte, Personal, Abgaben und Amortisation blieben ungedeckt.

Um es kurz zu machen: Der Betrieb wurde passiv ! Die Wirtschaft geriet in Schulden gegenüber der Brauerei Bodenbach, gegenüber den Lieferanten und dem Steueramt. Die Sparkasse Tetschen gab eine Hypothek nach der anderen, aber es half alles nichts, den Ruin abzuwenden. Bei den Verhandlungen zeigte sich die Tetschner Sparkasse bereit, das Hotel mit allem Inventar in Eigentum zu übernehmen und so mußte der unternehmungslustige Franz Hebestreidt das Haus schmerzlicherweise mit Frau und Töchterchen verlassen. Das war im Jahre 1902.

Der Schweizerhof blieb nun ein paar Wochen verwaist. Dann aber wurde das Haus verpachtet und zwar an den Gastronom Krummrein, der aus Schweizermühle in Sachsen stammte. Ein alter Gastwirt mit praktischer Erfahrung, vorsichtig in seinen Kalkulationen, sparsam in seinen Unkosten und billig in dem, was er bot. Es war ein Familienbetrieb. Die erwachsenen Kinder halfen dem Vater: Der Sohn als vorzüglicher Koch, die Tochter als Stubenmädchen und Speisenträgerin, die Schwiegertochter als Beschließerin.

Die Idee, daß Schneeberg Luftkurort sein könnte, war nicht mehr so abwegig. Das Zeitalter des Autos brach an, man war von Bodenbach-Bahnhof in 13 bis 20 Minuten von 126 m Seehöhe in der guten, scharfen Waldluft von Schneeberg. Die Ski kamen auf ! Man begab sich auch im Winter auf diesen höchsten Punkt des Elbesandsteingebirges und wärmte seine erfrorenen Gliedmaßen am großen eisernen Rundofen des „Schweizerhofs“ auf. Krummrein konnte nicht klagen. Er zahlte pünktlich seine Pacht an die Tetschner Sparkasse und die Bier-Rechnungen an die fürstl. Thunsche Brauerei in Bodenbach. Dreißig Jahre war Krummrein Pächter dieses Hotels ! 1930 zog er sich in den wohlverdienten Ruhestand zurück, erstand, gestützt auf seine Spargroschen, ein Häuschen in seiner sächs. Grenzheimat, wo er nach einigen Jahren hochbetagt starb. Der Nachfolger von Krummrein wurde der in Tyssa gebürtige Alfons Tritschel, Oberkellner im Cafe Corso zu Bodenbach.

Die anstrengende Tätigkeit eines Oberkellners in einem Kaffeehaus mit Nachtbetrieb in rauchiger Luft hatten Tritschel veranlaßt, sich eine ruhigere Beschäftigung zu suchen. Da war es ihm eben recht, als er hörte, daß das ihm sehr wohl bekannte „Hotel Schweizerhof“ einen tüchtigen Wirt sucht.

Und tüchtig war er, der Alfons Tritschel, der von „unten“, Piccolo, Speisenträger u.s.f., angefangen hatte. Und in seiner Börse klimperten die eigenen Silberstücke, die er sich erspart hatte.

Er sah gleich: das Hotel mußte modernisiert werden. Die Fachwerkwände im I. und II. Stock mußten durch Ziegelwände, die große Veranda verglast und die Ofenheizung durch eine das ganze Haus gleichmäßig erwärmende Zentralheizung ersetzt weiden. Tritschel kaufte das Haus. Und die Sparkasse freute sich, daß diese triste Angelegenheit einen für sie so günstigen Lauf nahm.

Bald prangte das Hotel im neuen Gewande. Dorf Schneeberg wurde nun wirklich ein vielbesuchter Luftkurort, auch die biederen Häusler gingen unter die Vermieter von Sommerwohnungen, ein zweiter, ein dritter Restaurationsbetrieb entstand und bei allen ging das Geschäft gut. Im „Schweizerhof“ mußte man schon im Feber Zimmer für den Sommer bestellen und im Winter war es schwer, noch ein Plätzchen zu finden, um eine Tasse Tee trinken zu können.

Bis zum bitteren Ende des zweiten Weltkrieges führte Tritschel mustergültig dieses Haus. Dann erging es ihm wie allen Bewohnern des Dorfes, er wurde nach Sachsen vertrieben und soll dort, dem Vernehmen nach, irgendwo wieder ein kleines Haus gepachtet haben. Der „Schweizerhof“ aber dient heute den Grenzsoldaten und Zöllnern als Kaserne.

Den beiden Hebestreidts, dem alten, erfahrenen Hotelier aus Obergrund und dem mit guter Schulbildung, aber geringer Praxis ausstaffiertem Sohne, gebührt der Ruhm, den Grundstein zu der Entstehung des Luftkurortes Schneeberg mit seinem in weiten Kreisen bekannten Hotel „Schweizerhof“ gelegt zu haben. Sie ernteten den Ruhm, ihre Nachfolger die Früchte.

Der Schneeberg aber, mit seinem weit in das Land schauenden hohen Aussichtsturm, nimmt in unserer Erinnerung noch immer einen guten Platz ein und bewahrt uns das Bild an die geliebte Heimat.

 

Foto vom Hotel im Jahre 2002

 

Quelle: Artikel aus "Trei da Hejmt",
   Mitteilungsblatt für den Heimatkreis Tetschen-Bodenbach/Sudetenland,
   Folge 18/1969
   Beiträge der Arbeitsgemeinschaft für Heimatforschung in Nordböhmen,
   6. Jahrg. Nr. 9 (1969)

Eigene Aufzeichnungen und Erinnerungen des Verfassers

 

letzte Aktualisierung am 14.04.2005