Der Franzosenschatz bei Kulm ...

von Josef Rotter

 

Die Weite des russischen Reiches und die Härte des russischen Winters waren es, die 1812 Napoleons starke Armee zerbrachen und sie dann durch ständige Rückzugsgefechte, Hunger, Kälte und Entbehrungen schließlich zu einer regellosen Flucht zwang. "Mit Mann und Roß und Wagen hat sie der Herr geschlagen", sang der glühende Patriot Ernst Moritz Arndt, und jeder spürte, daß hier ein Gottesgericht sein Urteil gesprochen hatte und die Macht Napoleons im Absinken begriffen war. Reichsfreiherr vom Stein verwandte seinen ganzen Einfluß beim Zaren, ihn zum Befreier Europas werden zu lassen. Preußens König, noch zaudernd, wurde durch seinen General York zur Entscheidung gezwungen; denn dieser, ein Pommer und Führer der dem Kaiser Napoleon zwangsweise gestellten preußischen Hilfstruppen, schloß eigenmächtig am 30. Dezember 1812 mit dem russischen General von Diebitsch die Konvention von Tauroggen, wonach er nicht mehr am Kriege gegen Rußland teilnahm und legte dem König in einem Schreiben seinen Kopf zu Füßen, wenn er gefehlt habe; denn "jetzt oder nie ist der Moment, Freiheit, Unabhängigkeit und Größe wieder zu erlangen". - Zwar gelingt es Napoleon, in kurzer Zeit wieder ein Heer auf die Beine zu stellen, aber schon schließen sich im Februar 1813 Rußland, Preußen und England zu einem Bündnis gegen ihn zusammen, und am 12. August 1813 tritt diesem auch Österreich bei.

Die sich nun entwickelnden Kämpfe zwischen den Verbündeten und Napoleon berührten unsere engste Heimat. Unter dem Hegeberge lagerte damals das österreichische Korps unter General von Ligny und russische Truppen hausten bis Königswald ärger als die Feinde. Manch fette Königswälder Bauerngans wanderte damals ungerupft in die Kochkessel der Russen und wurde von den Immerhungrigen mit Stumpf und Stiel aufgezehrt. In Schneeberg sollen gar einige versprengte Russen mit größtem Behagen eine Milchsuppe verzehrt haben, in der sich - auf dem Backofen versteckt - zahlreiche Küchenschaben gütlich getan und dabei darin ertrunken waren. Noch etliche Male kamen diese "Verbündeten", um von der Bauersfrau die delikate Schneeberger "Krebselsuppe" zu verlangen !

Die Böhmische oder Südarmee unter Führung des Fürsten Schwarzenberg wurde am 26. und 27. August 1813 bei Dresden geschlagen und zog sich gegen die böhmische Grenze zurück. Napoleon hatte zu ihrer Verfolgung und Vernichtung seinen besten Feldherrn - Vandamme - entsandt und folgte dieser Heeresabteilung persönlich. In den Schlachten bei Kulm, Arbesau und Nollendorf (29. und 30. August 1813) wird Vandamme besiegt und gefangengenommen. Napoleon selbst beobachtete von der Nollendorfer Höhe aus mit seinem Generalstabe die Entwicklung der Schlacht, währenddem die Pferde in der nahen Kirche eingestellt waren. Schon gab Napoleon alles verloren, als er von Norden her eine Truppe heranziehen sah, die er für eine eigene hielt. Es war dies aber eine verspätete österreichische Heeresabteilung unter Führung des alten Generals v. Kleist - und der Franzosenkaiser entging, als er seinen Irrtum bemerkte, nur um Haaresbreite der Gefangenschaft durch schleunigste Flucht. Kleist selbst, der durch seine Verspätung die volle Entscheidung herbeiführte, erhielt das Adelsprädikat "von Nollendorf". Auf dem Beobachtungsstandpunkte des Kaisers erhob sich später die "Kaiserwarte", und die Denkmäler Österreichs, Preußens und Rußlands (mit dem paßgehenden Löwen, deretwegen sich der Bildhauer erschoß !) erinnerten an diese Schlacht. Bis in die Gegend von Kninitz fanden ackernde Bauern noch öfters Waffenteile, Kanonenkugeln und Hufeisen aus jenen hitzigen Kämpfen, und auch unser "Eulautalmuseum" verwahrte manches Stück aus jener für unsere Heimat so denkwürdigen Zeit.

Nickel-Hegers Großvater - Franz Nickel - hat diese Geschehnisse aus nächster Nähe alle selbst miterlebt, da er in den Lagern der Verbündeten mit Rauchwaren und Salz handelte und mit diesen Mangelwaren bei den Soldaten eine gern gesehene Person war. Er hat seinem Sohne Franz und dieser wieder seinem Sohne Josef - unserem lieben Heimatfreunde, dem Nickel-Heger - auch die wahre Begebenheit vom Franzosenschatze aus der Schlacht bei Kulm übermittelt.

Als die Franzosen nach verlorener Schlacht über Nollendorf gegen Dresden und Leipzig zurückfluteten, vergruben sie im Walde hinter Arbesau bei einer mächtigen Eiche ihre große, schwere Kriegskasse mit ihren überaus reichen Schätzen an Silber, Gold und geraubten Edelsteinen. Nach Verlauf von sieben Jahren kam ein hoher französischer Offizier in Begleitung seiner Tochter nach Kulm und nahm hier in einem Gasthofe auf längere Zeit Quartier. Ausgerüstet mit Karten und Skizzen durchstreifte er in Begleitung seiner Tochter das Gebirge, um nach dem verschollenen Franzosenschatze zu suchen. Aber allzusehr hatten die Wetterverhältnisse der vergangenen Jahre die Gegend verändert. Bis in den Spätherbst fahndete er rastlos weiter, ohne aber Erfolg zu haben. In den letzten Monaten seines Aufenthaltes erkrankte seine Tochter, und der herbeigerufene Böhm.-Kahner Arzt stellte galoppierende Schwindsucht fest. Das Mädchen starb denn auch und wurde auf dem Friedhofe von Kulm beerdigt. Ohne Tochter und ohne die aufgefundenen Schätze kehrte der französische Offizier in seine Heimat zurück.

Die Eiche, unter deren weiter Krone der Franzosenschatz verborgen liegt, ist wohl längst unter der Axt gefallen und jüngerer Baumbestand überwuchert seine geheimnisvolle Gruft. Sollte eine spätere Generation aber den Schatz heben, wäre dem Vermittler dieser Aufzeichnungen, dem. Lm. Nickel, oder seinen Nachkommen der gebührende Dank abzustatten.

 

Quelle: Artikel aus "Trei da Hejmt",
   Mitteilungsblatt für den Heimatkreis Tetschen-Bodenbach/Sudetenland,
   4. Jahrg. Nr. 66 vom 20. Dezember 1951

letzte Aktualisierung am 18.08.2004